Die Botschaften des Mr. Grenell

Um es mit Bismarck zu formulieren: Grenell war ein Gesandter, aber kein geschickter. Doch die öffentlich gewordenen rhetorischen Entgleisungen und taktlosen Zumutungen aus der Berliner US-Vertretung haben auch ihr Gutes: Wenn selbst bis tief in die traditionell transatlantischen gestimmten Reihen von CDU/CSU und auch der GRÜNEN die US-amerikanischen Anmaßungen mit dem Verhalten einer »feindlichen Macht« (Andreas Nick) oder die Rolle Europas als »Vasall« (Franziska Brantner) empfunden wird, scheint diese Charakterisierung zu stimmen. Die Irritationen über das undiplomatische Auftreten mit der Mischung aus ungehobeltem Cowboy-Gebaren und den letzten Warnungen eines mafiotischen Schutzgelderpressers, auf die die US-Seite auch noch stolz zu sein scheint, wurden von Berlin immerhin nicht mit gleicher Münze heimgezahlt. Doch die Entmenschlichung des (geo-) politischen Gegners Russland als »Bestie« erinnert nicht nur an demagogische US-Äußerungen zu Hochzeiten des Kalten Krieges, sondern erinnert uns Deutsche an die zwölf Jahre im 20. Jahrhundert, die mit Recht als das dunkelste Kapitel der Geschichte bezeichnet werden.
Allerdings blieb der wahrnehmbare Widerstand der Regierung Merkel gegen den Befehlston des US-Statthalters am Pariser Platz merkwürdig verhalten. Warum dies so ist, darüber soll hier nicht spekuliert werden. Um beim jüngsten Stein des Anstoßes zu bleiben: Die schnellstmögliche Fertigstellung der Gasleitung »Nord Stream 2« liegt nicht nur um deutschen und europäischen ökonomischen Interesse, sondern hat auch eine friedenspolitische Dimension. Denn wer zum gegenseitigen Vorteil miteinander Handel treibt, ist weniger geneigt, aufeinander zu schießen. Gegenseitige Abhängigkeit schafft Stabilität. Und wer nicht liefert, bekommt auch kein Geld.
Berlin darf sich nicht in den Konfrontationskurs Washingtons gegenüber China und Russland einbinden lassen, der schnell von der ökonomischen Ebene – extraterritoriale, völkerrechtswidrige Sanktionen der USA – in einen kriegerischen Konflikt übergehen kann. Die Berliner Außenpolitik muss sich von Washington emanzipieren und sich am Aufbau der sich herausbildenden neuen, multipolaren internationalen Ordnung konstruktiv beteiligen – dazu gehören gute Beziehungen nicht nur zum Westen, sondern auch zum globalen Süden genauso wie zu Moskau und Peking. Drohgebärden und Aufrüstung passen nicht dazu.