Das Format ist nicht richtig – Interview zur SIKO

Linke-Abgeordnete Alexander S. Neu spricht über die problematische Seite der Konferenz und über Alternativen zum Treffen in München.
Herr Neu, was haben Sie dagegen, wenn führende Außen- und Verteidigungspolitiker auf der Münchner Sicherheitskonferenz über internationale Konflikte diskutieren und diese zu lösen versuchen?
Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich führende Außen- und Sicherheitspolitiker treffen, um die Probleme der Welt zu lösen. Es ist aber nicht nur ein Treffen von Außen- oder Sicherheitspolitikern, es sind auch Vertreter der Rüstungsindustrie dabei. Es geht in erster Linie nicht darum, die Konflikte der Welt, vielfach auch militärische Konflikte, mit zivilen Mitteln im Sinne der Leidtragenden zu befrieden. Vielmehr geht es hier um reine Machtpolitik. Ich bin jetzt zum fünften Mal dabei. Beim ersten Mal ging es beim Ukraine-Streit nicht um Konfliktlösung, sondern um Machtpolitik und Einflusssphären. Die Sicherheitskonferenz wird als Bühne benutzt, um die eigenen machtpolitischen Vorstellungen als richtig und alternativlos im Sinne des Westens der Öffentlichkeit zu verkaufen.
Befürworter der Sicherheitskonferenz würden Ihnen friedensstiftende Beispiel entgegenhalten. Vor zwei Jahren haben beispielsweise die Akteure des Kriegs in Syrien in München eine Waffenruhe vereinbart.
Es mag sein, dass die russischen und die US-amerikanischen Akteure in den Hinterzimmern etwas vereinbaren. Lange hat das aber nicht gehalten. Denn das Format der Münchner Sicherheitskonferenz ist nicht das richtige, um etwa einen dauerhaften Waffenstillstand zu erreichen. Da gibt es andere Formate, die wesentlich besser geeignet sind – bilaterale Treffen oder Friedensgespräche unter Leitung der Vereinten Nationen ohne Zeitdruck. Im Übrigen haben 2014 viele Teilnehmer der Sicherheitskonferenz kurz vor dem Putsch in Kiew auf Vertreter der damaligen ukrainischen Regierung Druck ausgeübt. Der Putsch selbst wurde dann später auch nicht im Westen problematisiert. Er war ja im Sinne Brüssels und Washingtons. Schon da hat sich gezeigt, dass der Westen in diesem Konflikt kein ehrlicher Vermittler, sondern genauso wie Russland eine Konfliktpartei ist. Es handelt sich beim Ukraine-Konflikt um einen geopolitischen Konflikt bei dem es um die Fragen geht, ob die Ukraine zur westlichen oder zur russischen Einflusssphäre gehört. Den Ukraine-Konflikt, wie viele andere Konflikte, kann die Sicherheitskonferenz nicht lösen, weil die Teilnehmer in München mehrheitlich pro-westliche Akteure sind.
Erwarten Sie da nicht zu viel von der Konferenz? Nach deren Selbstverständnis geht es um Debatten jenseits von Treffen, die wie ein EU-Gipfel ein starres Programm haben und von denen Ergebnisse erwartet werden.
Fakt ist, dass in den vielen Räumen des Veranstaltungsorts Bayrischer Hof natürlich bilaterale Gespräche geführt werden. Das kann natürlich hilfreich sein. Es ist jedoch nicht das richtige Format. Vor allem ist die Sicherheitskonferenz eine Selbstvergewisserungsveranstaltung: Will sagen, es geht darum, sich zu vergewissern, dass die eigene, die westliche Hegemonialpolitik richtig und alternativlos ist. Alle anderen machtpolitischen oder regelbasierten Modelle, wie beispielsweise eine multipolare oder rein völkerrechtsorientierte Weltordnung werden als gefährliche Herausforderung der westlichen Lebensweise verstanden.
Warum nehmen Sie an der Sicherheitskonferenz teil, wenn Sie das Treffen so kritisch sehen und nicht allzu viel erwarten?
Zunächst ist es offiziell eine private Veranstaltung. Das ist so aber nicht der Fall. Die Bundesregierung finanziert das Treffen teils mit Steuermitteln oder auch mit einigen Bundeswehrsoldaten zum Personenschutz oder zum dolmetschen. Wenn es aber keine private Veranstaltung ist, hat die Linke den Anspruch erhoben, teilnehmen zu können, um die Debatte zu verfolgen oder mit kritischen Fragen einzugreifen.
Ihre Partei unterstützt die Gegenveranstaltung „Internationale Münchner Friedenskonferenz“ mit Diskussionsforen und einer Demonstration in der Münchner Innenstadt. Was erhoffen Sie sich davon?
Friedensbewegte Menschen zeigen, dass sie die Sicherheitskonferenz nicht akzeptieren, weil der Sinn und Zweck der Konferenz eben nicht friedensstiftend ist und von der Konferenz die falschen Signale ausgehen.
Beteiligen Sie sich an der Gegenveranstaltung?
Freitagabends bin ich in der Regel bei den Diskussionen der Gegenveranstaltung. Samstags bin ich dann meistens im Bayrischen Hof. Ich demonstriere mit, wenn bei der Sicherheitskonferenz nicht gerade ein wichtiges Thema diskutiert wird. Häufig fällt die Demo für mich leider zeitgleich mit dem Höhepunkt der Sicherheitskonferenz zusammen.
Haben Sie im nicht öffentlichen Teil der Sicherheitskonferenz beobachtet, wie Waffengeschäfte vorbereitet oder gar abgeschlossen werden, wie es Teile der Gegner der Sicherheitskonferenz unterstellen?
Man kann sich das nicht so vorstellen, dass dort eine Ministerin oder ein Minister mit Vertretern von Krauss-Maffei zusammentrifft und einen Kaufvertrag über Waffen unterschreibt. So läuft das natürlich nicht. Es geht aber sehr wohl darum, dass Rüstungsvertreter und Politiker in Kontakt kommen. Der Rahmen, das Klima der Konferenz dürfte sich geschäftsfördernd auswirken.
Wenn Sie es könnten, würden Sie die Münchner Sicherheitskonferenz reformieren oder abschaffen?
Am liebsten wäre uns, wenn diese Sicherheitskonferenz nicht mehr stattfindet. Den Charakter dieses Treffens können wir nicht verändern. Ich wünsche mir eher eine jährliche Konferenz, während der tatsächlich über friedenspolitische Optionen mit zivilen Instrumenten debattiert wird. Es wäre hilfreicher, wenn wir über die Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik sprechen oder darüber diskutieren würden, wie die Vereinten Nationen gestärkt werden können und die OSZE – also die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – mit leben gefüllt werden kann. Ziel wäre es dann, zivile und außenpolitische Instrumente weiter zu entwickeln statt militärische.