„NATO – werte Gemeinschaft?
„NATO – werte Gemeinschaft?
Die Vormusik zum NATO-Gipfel zeigt: die Atlantiker werden künftig die NATO-Agenda noch aggressiver dominieren. Das ‚alte Europa‘ der Skeptiker gibt es nicht mehr. Wenn dies keinen Anlass ist, die Werte dieser Allianz in Frage zu stellen – wann dann?
Der NATO-Gipfel, der gerade in Wales tagt, hat es mit brisanten politischen Krisen zu tun. Die Frage ist, wie er darauf reagiert. Welche Lösungsmechanismen werden von diesem Gremium vorgeschlagen?
Problem Nr. 1, die Ukraine: Angesichts des Bürgerkrieges schlagen die osteuropäischen Mitgliedsländer vor, die NATO solle Waffenlieferungen in die Ukraine koordinieren. Die USA, Frankreich und Kanada liefern schon. Rasmussens Readiness Action Plan, der auf dem Treffen verabschiedet werden soll, sieht erstmals die Stationierung von Bodentruppen der westlichen NATO-Staaten direkt an den russischen Grenzen vor. Die osteuropäischen Überzeugungstäter wollen die NATO-Russland-Akte ganz abschaffen. Eine öffentliche Reflexion, gar Selbstkritik an der bisherigen Ukraine-Strategie bei auch nur einer der Mitgliedsregierungen? Fehlanzeige.
Problem Nr.2: Der Nord-Irak. Die Gruppe Islamischer Staat wird nicht als Phänomen der sunnitischen Rebellion in einem failed state dargestellt, sondern als beziehungslos ‚böse‘ und unmenschlich. Der Vergleich mit zahlreichen anderen Bürgerkriegen braucht gar nicht angestellt zu werden, um zu erkennen, wie willkürlich und zynisch das Reden vom Genozid ist, auf den die NATO jetzt auf einmal reagieren ‚muss‘, wie der scheidende Generalsekretär Rasmussen vorgibt. Nichtsdestotrotz: Selbstkritik, z.B. aus den Reihen jener „Koalition der Willigen“, die mit dem Angriffskrieg 2003 den säkularen Irak mutwillig zerschlugen? Fehlanzeige.
Diese Entwicklungen sind das Ergebnis einer Doktrin, die sich die NATO im Jahre 1999 mit dem Neuen Strategischen Konzept gab, in der sich die Allianz selbst zur globalen Ordnungsmacht erklärte. Sie fand ihre Entsprechung in der Idee vom ‚neuen liberalen Imperialismus‘, der die Staaten des Westens ermächtigt sieht, die Werte ‚Demokratie‘ und ‚Freiheit‘ in die Welt zu tragen.
Und die deutsche Außenpolitik? Die Ukraine-Politik der jetzigen Bundesregierung zeigt, wie sie diese Krise nutzen will, um nun ihrerseits zu demonstrieren, wie die Gauck‘sche neue „Übernahme von Verantwortung“ buchstabiert werden soll. Die Bundesregierung übt sich demonstrativ im Schulterschluss. Von der Leyen insbesondere wird nicht müde, die ‚gemeinsamen Werte‘ zu betonen, die der NATO-Allianz zugrunde liegen. Mit der US-Spionage-Affäre und der offensichtlichen Narrenfreiheit der USA bei der Durchführung von Drohnenangriffen von deutschem Boden aus wird die Bundesrepublik aber selbst zugleich zum Opfer und Mittäter der Eskalationspolitik der Atlantiker. Angesichts all dessen ergibt sich wieder einmal die Frage: Wessen Werte repräsentiert diese Politik?
Denn in Deutschland steht die Bevölkerung dieser Eskalationspolitik skeptisch gegenüber. Die vom Auswärtigen Amt selbst beauftragte Umfrage der Körber-Stiftung attestiert der deutschen Bevölkerung in ihrer Sicht auf die Außenpolitik ganz andere Werte: Hier sprechen sich satte 60 Prozent für eine Beibehaltung der Kultur der Zurückhaltung aus, die Erhaltung von ‚Frieden in der Welt‘ wird von einer absoluten Mehrheit (51 Prozent) als das wichtigste Ziel der deutschen Außenpolitik gesehen, sogenannte ‚Hilfe zur Demokratie‘ nur 26 Prozent, ‚Freiheit‘ gar nur von 16 Prozent. Und nur noch 35 Prozent sahen die USA Ende letzen Jahres als einen vertrauenswürdigen Partner in der Außenpolitik.
Gerade angesichts der Weltkriegsjubiläen in diesem Jahr wäre die deutsche Außenpolitik prädestiniert, die Gorbatschowsche Idee eines „gemeinsamen europäischen Hauses“, dessen Grundlage die OSZE noch immer stellt, neu zu entwerfen. Auch öffentlich, und als Gegenentwurf zum Säbelrasseln der Atlantiker. War da nicht mal was mit ‚altem Europa‘? Auch hier: Fehlanzeige. Und der neue Generalsekretär Stoltenberg? Er wendete sich vom NATO-Gegner zum NATO-Funktionär. Beides spricht Bände über die Strukturzwänge – und die Werte – dieser Allianz.
Deshalb gibt es keine Alternative zur konsequenten Arbeit an der Auflösung der NATO und ihrer Ersetzung durch ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit in Europa – einem gemeinsamen europäischen Haus. DIE LINKE ist die einzige Stimme im Bundestag, die die NATO ablehnt. Und – um einen scheidenden Berliner zu zitieren – das ist auch gut so.